Heute bin ich auf dem Weg in Richtung La Cruz de Hierro oder besser bekannt als Cruz del Ferro. Beim Cruz del Ferro legt jeder Pilger auf einem gigantischen Steinhaufen einen eigenen Stein ab, um so symbolisch die eigene Last abzuladen. Leider habe ich meine Last (sprich Stein) in Deutschland im Auto liegen lassen – wollte ein Broeckel unseres Hausumbaus mitnehmen, das waere die passende Last gewesen. Daher habe ich mir (siehe auch in den Bildern) direkt nach dem Start in Saint-Palais einen aehnlichen Steinbroeckel mitgenommen und schleppe diesen – mit einem gigantischen psychischen, allerdings lediglich ca. 150g physischen Gewicht – nun seit 3 Wochen zu besagten Cruz del Ferro. Ich kann gluecklicherweise sagen, dass ich nun soweit bin, diese Last dort gerne zurueck zu lassen!
Um 7:30 Uhr habe ich mich von Rabanal auf den heute 33 Kilometer langen Marsch gemacht. Der Morgen war einfach herrlich, Rabanal wurde durch die aufgehende Sonne in dieser ca. 1200 Meter Hoehe im leichten Morgennebel wunderbar stimmungsvoll ausgeleuchtet. Mein Schatten war wieder schoen lang und es macht einfach Spass ihm zu folgen.
So wie sich allerdings die Vegetation langsam mit Farnen und Kiefern aendert, so hat sich auch das Wetter geaendert. Es zog zu und begann leicht zu nieseln. In Foncebadón angekommen – dem ehemaligen verlassenen, nun aber wiederbelebten Bergdorf – war kaum 50 Meter Sicht und das nasskalte Wetter hat deutlich gemacht, was jeden Pilger heute noch erwartet. Geht man bei so einem Wetter durch Foncebadón, kann man sich ausmalen, wie das Dorf noch vor 8 Jahren auf die Pilger gewirkt haben muss, denn zwischen den wenigen bewohnten Haeussern (uebrigens fast ausschliesslich Herbergen), sind noch die ganzen Ruinen zu sehen. Ich war allerdings platt, als ich ein paar deutsche Maedels gesehen habe, die in dieser unwirtlich kalten Gegend neben einer Herberge gezeltet haben. Die kennen ja gar nichts!
Von Foncebadón geht es durch den dichten Nebel weiter in Richtung Bergspitze und damit zu Cruz del Ferro. Dieser Punkt ist, vom Camino Frances aus gesehen, der hoechste Punkt des Jakobswegs auf ueber 1500 Metern Hoehe. Der arragonische Weg hat bereits beim Somport-Pass die hoechste Stelle erreicht. Der Weg dorthin fuehrt erst an Farnen vorbei, spaeter durch niedriges Gestruepp und zum Schluss durch einen Kieferwald. Im Nebel habe ich dann auch das Cruz del Ferro auftauchen sehen mit seinem gigantisch hohen Steinhaufen, dem 5 Meter hohen Eichenstamm und dem Eisenkreuz auf der Spitze. Der Steinhaufen besteht aus unterschiedlichsten Steinen, z.T. bunt bemalt, aber auch aus Bildern, Briefen, Fahnen, Tuechern, Gegenstaenden (wie Schuhe und sonstiges Pilgergeruempel) und vielem mehr. Alles, was den verschiedenen Pilgern wichtig ist und womit sie ihre Last symbolisch ablegen koennen.
Ich habe meinen Stein fast schon mit einem Seufzer der Erleichterung auf der Spitze „abgeworfen“ und habe den Ort auf der anderen Seite, ohne zurueckzublicken, verlassen. Das hat wirklich gut getan und ich habe den Weg geradezu beschwingt fortgesetzt.
Unterwegs kam ich an einer „Hippiezeltdorf“ vorbei. Hier haben sich ein paar Hippies niedergelassen und „besetzen“ nun das unwirtliche Stueck Land. Der Oberhippie hat immer die Glocke gelaeutet, wenn ein Pilger kam. Na, in der Hochzeit Juli/August hat er aber was zu tun 😉 Dort habe ich dann wieder einige Pilgerbekanntschaften getroffen, unter anderem Michael (den Spanischlehrer) aus Deutschland. Er meinte, er haette keinen Stein abgelegt, da er keine Lasten zu tragen haette. Na, das ist mal ein beneidenswertes Leben, aber so richtig kann ich ihm das nicht glauben. Ich glaube da ist mehr Verdraengung im Spiel…
In dem Hippiedorf bekommt man auch einen Stempel (den ich mir natuerlich geholt habe) in den Pilgerpass. Alle Pilger, die eine groessere Strecke als 1000 Kilometer zurueck gelegt haben, erhalten einen besonderen Stempel – wie auch immer der aussehen mag. Tatsaechlich war wohl mal ein Japaner da, der seit vielen Jahren pilgert und ueber 9000 Kilometer zurueckgelegt hat. Donnerwetter!
Gemeinerweise geht es nach dem Hippiedorf wieder bergab, um kurz darauf wieder auf die Hoehe des Cruz del Ferro anzusteigen. Man wird dafuer aber auch mit einem unglaublich schoenen Panoramablick belohnt. Ich habe meine Kamera stecken lassen, denn das kann man damit sowieso nicht einfangen, und habe den Anblick einfach nur schweigend sitzend genossen.
Damit man aber nicht allzu dankbar ist, geht es ab da dann kilometerlang bis Molinaseca ueber Steinwege bergab. Das geht mal richtig uebel auf die Knochen und Gelenke! Unten angekommen habe ich erstmal eine Rast eingelegt und dabei netterweise wieder eine Pilgerbekanntschaft (die Welt ist hier wirklich sehr klein auf dem Camino) – Mark aus Deutschland – getroffen. Beim gemeinsamen Essen ritt eine Gruppe fusskranker Pilger, die wir in Rabanal zurueckgelassen hatten, auf Pferden in Molinaseca ein. Fuer 15 €/h ueber den hohen Pass. Na, das ist natuerlich auch eine Moeglichkeit… warum hat mir die niemand vorher gesagt? Das waere mal eine Erfahrung gewesen! Und ich schinde mich… 🙁 Nun, ein Pferd ist einer Amerikanerin, die den Service in Anspruch genommen hat, dafuer auch auf den Fuss getreten. Au, die Arme! Sie muss jetzt nachpruefen lassen, ob was gebrochen ist, scheint jedenfalls sehr zu schmerzen… Nun, dann lieber doch zu Fuss! 😉
Leider habe ich ab Molinaseca gemerkt, dass das bloede Kratzen im Hals nicht einfach auf die schlechte Hoehenluft zurueckzufuehren ist – die soll ja, genauso wie Seeluft, immer so schlecht sein – sonder dass ich krank werde! So ein Mist!
Die Idee, den Weg weiterhin bis Ponferrada fortzusetzen, war aber leider auch eine bloede Idee. Ich haette bereits in Molinaseca Halt machen sollen. Aber leider war ich immer noch auf dem „ich muss es bis zu meinem naechsten Ziel schaffen“-Trip und habe mich die letzten 7,7 Kilometer nach Ponferrada gequaelt, nicht ohne unterwegs am Strassenrand vor Erschoepfung eine halbe Stunde auf meinem Rucksack gelehnt zu doesen.
In Ponferrada habe ich dann erstmal eine Apotheke und einen Supermarkt gepluendert: in der Apotheke habe ich mich mit Chemie und im Supermarkt mit Vitaminen in Form von Obst versorgt. Da ich nunmal aber schon in Ponferrada war, habe ich natuerlich trotzdem noch die uralte und inzwischen sehr gut wieder hergestellte Templerburg angeschaut. Im 13. Jahrhundert wurde die Burg gebaut, bis ins 16. Jahrhundert wurde sie enorm erweitert. Man kann beinahe die Templer in ihren Ruestungen hoeren…
Nach diesem letzten kraeftezehrenden Ausflug habe ich mich dann aber doch zur „Therapie“ (sprich Asperin, Obst und viel Schlaf) zurueckgezogen.
Kranke Gruesse
shp-jakobsweg
[googleMap name=“Ponferrada“ width=“500″ height=“300″ directions_to=“false“]Ponferrada, Spain[/googleMap]