15.06.2010 – Noch ein Superlativ – Saragossa
Meine vorletzte Station ist nun Saragossa. Hier wollte ich schon immer mal hin und so habe ich die Stadt noch in meine ungewöhnliche Reiseplanung aufgenommen. Morgens bin ich früh mit dem Zug von Valladolid losgefahren.
Gestern Nachmittag hatte ich dafür gleich noch ein Ticket gekauft. Wer sich mal so richtig in die alten Zeiten der Deutschen Bahn zurück versetzt fühlen möchte, dem sei ein Besuch an Spaniens Bahnhöfen empfohlen. Hier wird noch hinter Panzerglas „beraten“. Vorher aber immer schön ein Nummernticket ziehen nicht vergessen(!), sonst kommt man nämlich nie dran ;). Natürlich sind von 10 Plätzen nur 5 besetzt, wobei hinter zweien gar nicht bedient wird, sondern die Kollegen sich angeregt über irgendetwas unterhalten. Ein Platz ist nur für Expressabfertigung für Züge, die in den nächsten 15 Minuten abfahren (dies ist sicherlich sinnvoll) und ein Platz ist nur für allgemeine Informationen zuständig – dazu zählen übrigens Fahrplanauskünfte nicht! Und so komme ich schon nach einer halben Stunde am einzigen offenen Verkaufsschalter dran und kaufe mir das Ticket für die 6-stündige Fahrt (Klasse „Tourismo“) nach Saragossa. Mit der Erfahrung relativieren sich die üblichen „Problemchen“ mit der Deutschen Bahn… 🙂
Allerdings dauert die Fahrt dann doch 7 Stunden, weil wir ein längere Zeit einfach mal auf freier Strecke geparkt haben… warum auch immer. Da ich nicht in Eile bin, ist mir das egal. Damit lege ich allerdings als einer der wenigen eine spanische Gleichgültigkeit an den Tag. Ganz im Gegensatz zu meinen spanischen Mitfahrern, die sich lauthals beschweren. Mein mexikanisch aussehender Nachbar wollte wohl gemeinsam mit mir über diese saumäßige Fahrplanabweichung schimpfen, gab dann aber mit einem entnervten „¡Hombré!“ auf
Dafür habe ich mit Begeisterung die Espressomaschine (sic) im Boardrestaurant wahrgenommen und ausgiebig getestet! Das wäre doch mal was für die Deutsche Bahn!!! (Übrigens habe ich kurze Zeit später in der Süddeutschen (in Spanien!) gelesen, dass der DB-Konzernchef Grube mit seiner Serviceoffensive unter anderem neue und bessere Kaffeevollautomaten einführen will… das kann ich nur begrüßen!!!
Nun, nachdem ich endlich in Saragossa war, wollte ich gleich meine Weiterfahrt nach Barcelona organisieren. Hier allerdings hat sich mal wieder das komische spanische Verkehrssystem gezeigt. So kostet die Fahrt von Valladolid nach Saragossa (also durch halb Spanien) etwas 34 €. Die kurze Fahrt nach Barcelona (2 Stunden) dagegen 64 €…??? Das muss mir jetzt mal einer erklären!
Da die spanische Bahn wohl nur bei langen Distanzen billig, bei kurzen aber unglaublich teuer ist, haben sich hier Unmengen an Überlandbuslinien durchgesetzt und so habe auch ich mich für die 13 €-Fahrt mit dem Reisebus entschieden. Übrigens auch hier eine Servicewüste hinter Panzerglas…
Nun, Saragossa ist wirklich bezaubernd schön und sagenhaft atemberaubend! Schon wieder ein absoluter Superlativ auf meiner Reise! Und nachdem ich die unbeschreiblich schöne Kathedrale besichtigt habe, habe ich mir in der nicht weniger beeindruckenden Basilika meinen letzten Stempel abgeholt.
Dazu habe ich zwei Priester angesprochen, die sich gerade gelangweilt am Beichtstuhl unterhalten und mich als vermeintlichen blöden Touristen ignoriert haben. Als ich mich als Pilger zu erkennen gegeben habe, hat sich die Stimmung allerdings schlagartig umgedreht und beide waren sehr hilfsbereit und habe mich auch direkt ins Pfarrbüro in der Basilika geschickt. Dort war der Pfarrer gerade damit beschäftigt zwei älteren Herren (ich vermute mal Barbesitzern) eine unglaublich kitschige Plastikpuppe zu segnen (im Sitzen mit dahingemurmeltem Beschwörungsformeln) und nach entsprechendem Obulus auch eine Urkunde dafür auszufüllen… Das wirkt dann doch etwas… naja…
Als ich ihn nach meinem „Sello por Credencial del Peregrino“ gefragt habe, hat er dies auch schon mit der dazugehörigen Handbewegung grinsend quittiert und mir meinen schönsten und aufwendigsten Stempel in meinen Pilgerpass gedrückt! Er war auch gleich sehr interessiert und so habe ich mich erst nach einem kurzen Plausch über die Gründe für meine Aufgabe und die Anstrengungen auf dem Weg wieder verabschiedet… das war sehr nett! Aber zugegeben, auch dieses Stempelritual wirkt doch etwas… naja… aber mir gefällt’s
16.06. – 18.06.2010 – Vorlaeufiges Ende einer chaotischen Pilgerreise – Barcelona
Am Donnerstag Mittag habe ich mich dann wieder zum ca. 2-3 Kilometer entfernten Bahnhof begeben (natürlich alles immer zu Fuß), um mit dem Bus nach Barcelona zu fahren. Leider habe ich komplett verpennt, dass um 16:00 Uhr Spanien gegen die Schweiz spielt und so bin ich exakt 15 Minuten vor Spielende direkt aus dem Bus in die nächste Kneipe gestürmt, um die Spanier feiern zu sehen… auf die nicht vorhandene Stimmung und die langen Gesichter war ich dann doch nicht vorbereitet und erst ein Blick zum Fernseher hat mir den Grund gezeigt: 0:1 Rückstand… und das beim Europameister gegen den kleinen Fußball-Noname Schweiz… Donnerwetter! Da hat Ottmar Hitzfeld aber ein kleines Wunder vollbracht!
Nun, jetzt da ich in Barcelona angekommen bin, ist für mich hier allerdings die Pilgerfahrt nun tatsächlich zu Ende. Und obwohl ich noch an der Sagrada Familia und der Kathedrale Barcelonas vorbei gegangen bin, habe ich mir auch keinen Stempel mehr abgeholt, denn das fühlte sich nun tatsächlich nach Urlaub und nicht mehr wirrer Pilgerreise an.
Schön war hier doch immerhin, dass ich neben meinen Pilgerbekanntschaften von vor 2 Jahren auch meinen Bruder Andi mit Freundin und meinen sehr guten Freund Philipp aus Toronto getroffen habe. Mein Bruder war im Urlaub hier und Philipp auf einem Kongress… man muss die Dinge nehmen, wie sie halt kommen 🙂
Und so war dies ein schöner Abschluss und ich verabschiede mich mit einem „Buen Camino“ und hoffentlich irgendwann vielleicht mal einer Fortsetzung dieser ungewöhnlichen Pilgerreise… meinen Pilgerpass werde ich jedenfalls so lange verwahren
¡Ultreia!
shp-vdlp