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Mein Weg ist das Ziel

23.04.09 – Vietnam Flughafen Saigon – Leben im Kokon

Unterwegs sitzen wir wieder einmal in einem „Highlands Coffee“, in dem man aus meiner Sicht den einzigen guten Kaffee hier bekommt, denn wie schon mal beschrieben ist der „normal“ Kaffee schon sehr grenzwertig, der „Original Vietnamese Coffee“ dagegen kommt mir wie ein Ueberbleibsel der Idochina-Kriege vor und kann sicherlich in jedem Schuetzengraben oder Tunnel mit einem Stueck Auspuffrohr und einem Teil einer Kalaschnikow gebrueht werden… und so schmeckt er dann auch…

Von hier innen schaut man durch eine Glasscheibe raus in das bunte Treiben und ich stelle schlagartig fest, dass ich nicht in eine Glaskugel aus anderem Leben schaue, sondern wie ein Fisch aus meinem Glasgefaengnis hinaus. Was haben wir eigentlich von dem ganzen Leben hier mitbekommen.

Immerhin haben wir uns der Herausforderung gestellt und sind durch die Strassen gelaufen, haben uns durch den dichten Mopedverkehr gedraengt und den Widrigkeiten der Sprachbarriere gestellt. Damit haben wir vermutlich schon ca. 95% aller anderen Touristen abgehaengt, die es lediglich von einem klimatisierten Bus in ein klimatisiertes westliches Gebaeude geschafft haben… Aber macht es das besser? So richtig mitbekommen haben wir eigentlich nichts von einem vollkommen anderen Leben, als wir es kennen. Allenfalls einmal an der Oberflaeche eines tiefen Sees versucht den kleinen Zeh hineinzustrecken. Danach aber – glueckseelig von diesem erfolgreichen Vorstoss – schnell mal eine Cola fuer 15.000 VND getrunken oder nachmittags in einem „Highlands Coffee“ bei einer Cafe Latte mit einem Muffin fuer schlappe 160.000 VND (ca. 10$) entspannt – zwar immerhin zu zweit, aber doch mehr als das Doppelte, was wir in Begleitung unseres Herrn Nam bspw. in Hanoi zu 4 beim Mittagessen bezahlt haben… Das ist weit mehr, als sich die meisten hier mal so zwischen durch leisten koennen… Da wird man dann doch nachdenklich!

Nun, was koennen wir also aus unserem Fischglas oder besser Kokon heraus zu dem vietnamesischen Leben sagen?

Hier wird offensichtlich viel mehr im Team als in Konkurrenz gearbeitet. Auch wenn das Land offiziell noch Sozialistisch ist, ist es doch bereits voll im hektischen Kapitalismus angekommen. Jeder versucht seines Glueckes Schmied zu sein und zu Geld zu kommen. Aber trotzdem findet kein verbissener Kampf statt – so zumindest unsere Wahrnehmung. So kann es vorkommen, dass wir bspw. in einem Laden alleine stehen, vom Verkaeufer weit und breit keine Spur zu sehen. Ploetzlich haelt ein Moped, hupt und ruft was in den Laden, woraufhin aus dem rueckwaertigen Bereich der Verkaeufer (oder meistens die Verkaeuferin, denn das Handeln und Verkaufen scheint Frauensache zu sein) auftaucht. Das kann natuerlich jetzt der Neffe sein, der zufaellig vorbeigekommen ist, ich mag das aber nicht so recht glauben.

So sind bspw. auch die Laeden immer nach „Themen“ – sprich Produkte – in Strassen sortiert. In der einen Strasse sind alle Eisenwarenhaendler neben einander aufgereiht, in der naechsten die Moebelgeschaefte, Schuhlaeden oder es werden eben in 20 Laeden direkt beeinander Lebensmittel verkauft. Wir im Westen wuerden doch die Stelle suchen, an der das Produkt noch nicht feilgeboten wird und es einen Standortvorteil gibt: also ein Schuhgeschaeft neben der Edelboutique oder etwas aehnliches…

Die Dynamik der Vietnamesen ist allerdings schon beeindruckend. So ist alles in einer Art chaotischen Fluss – bspw. der Verkehr, an den wir uns bis zum Schluss nicht so richtig gewoehnen konnten (ich habe leider keine Hupe, sprich „Handhonke“ finden koennen, die haette ich ja liebend gerne eingesetzt!). Bildlich gesprochen: wuerden wir in einer Strasse an ein Hindernis kommen, waere unser erster Gedanke, wie wir dieses wohl beseitigen koennten oder wie lange es dauert, bis jemand das Hindernis entfernt hat. Ein Vietnamese wuerde wohl sofort beginnen sein Moped auseinander zu bauen, um es in Einzelteilen ueber das Hindernis hinweg zu tragen und auf der anderen Seite nach dem Zusammenbauen weiterzufahren – wie Wasser in einem Fluss, das den Weg durch Steine sucht. Dass beim Zusammenbauen ein paar (sicher unnuetze) Teile uebrigbleiben, ist dann auch nicht schlimm, die kann man gleich verkaufen 😉

Dagegen kostet die Arbeitskraft hier quasi nichts, nur das Material. Das koennten wir uns niemals leisten zum Beispiel den Rasen von Hand mit einer Handrasenschere maehen zu lassen… alles gesehen! Strom kostet zum Beispiel auch mehr, je mehr verbraucht wird und nicht weniger (pro KWh) wie bei uns. Auch so eine eigene Art…

Nun ist die Reise zu Ende und wir haben viele neue Eindruecke gesammelt. Den touristischen Pfad, den wir hier beschritten haben, ist leider inzwischen schon ziemlich ausgetreten und hat das urspruengliche Vietnam zum Grossteil in den Hintergrund gedraengt. Schade!

Im Nachhinein laesst sich daher sagen, dass wir lieber ein paar Tage mehr Kambodscha anstelle Vietnam genossen haetten und unbedingt Laos als weiteren Zwischenstop haetten einbauen sollen.

Viele Gruesse vor dem Boarden

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